Westflügel
Text: Jan-Markus Göttsch
- Ansicht des Residenzschlosses von Westen (Wikimedia Commons, Urheber: Kolossos, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:DD-Schloss-gp.jpg, Lizenz: GFDL und Creative Commons CC-BY-SA-3.0, Stand: 18.03.2018)
Neben der Semperoper und der Sempergalerie prägt heute die prächtige Fassade des Westflügels den Theaterplatz im Herzen Dresdens.
Im 15. Jahrhundert als einfacher Küchen- und Wirtschaftstrakt mit Burgkapelle errichtet, entwickelte sich der Westflügel während der Renaisaance und des Barock zu einem wichtigen Zentrum der Repräsentation im Schloss. Davon zeugt bis heute das in barocker Herrlichkeit eingerichtete Historische Grüne Gewölbe im Erdgeschoss. Mit dieser weltberühmten Schatzkammer beherbergt der Westflügel eine der besterhaltensten Sammlungen höfischer Goldschmiedekunst weltweit.
Together with the well-known monuments Semper Opera House and Semper gallery, the magnificent front of the western wing of the residence castle impresses visitors to the Theatre square in the heart of Dresden. This has not always been the case though. Prior to 1820 the area that is known as Theatre square today was not open to the public. Only after it became accessible to the general population and was no longer closed off from the city by a wall, the front of the western wing became of interest. In the course of the following renovations (1889-1901) this part of the residence castle attained its impressive front.
The western wing was built as a simple kitchen and administrative area with a small chapel in the 15th century but gained importance as a representative centre during the years of Renaissance and Baroque. Until today this is reflected in the baroque splendor of the Historical Green Vault on the ground floor. With this world-renowned treasury, the western wing houses one of the best kept collections of jeweler’s and goldsmith’s art today.
Gliederung
1. Der heutige Westflügel am Theaterplatz
2. Zur Geschichte: Der Westflügel in der Renaissance und im Barock
3. Das Grüne Gewölbe und die Paradezimmer unter August dem Starken
4. Zerstörung und Wiederaufbau: Der Westflügel als Museum
5. Mehr erfahren zum Westflügel des Dresdner Residenzschlosses
Der heutige Westflügel am Theaterplatz
Zur Orientierung für den Besucher
Der Besucher nähert sich dem Westflügel des Schlosses idealerweise vom Theaterplatz oder von der Sophienstraße aus. Letztere führt direkt zwischen dem Zwinger auf der einen und dem Schloss und der katholischen Hofkirche auf der anderen Seite hindurch. Von hier aus lässt sich der Westflügel in seiner ganzen Länge und Symmetrie erfassen.
Zur äußeren Gestalt des Westflügels
Die Fassade des Westflügels gliedert sich in drei Geschosse mit insgesamt elf Fensterachsen. Zu dem überwiegend verputzten Gebäude bildet das Sockelgeschoss mit seinen massiven Sandsteinquadern einen reizvollen Kontrast. Mit seinem aufragenden Satteldach entspricht der Westflügel mit seiner Architektur der Formensprache der Neorenaissance. Durch die drei großen Giebel und mehrere kleinere Gaubenfenster erfährt das Dach eine stark symmetrische Rhythmisierung. Zu beiden Seiten fassen Ecktürme den Baukörper architektonisch ein und verleihen ihm Halt und Kontinuität. Der nördliche Turm stammt trotz späterer Veränderungen aus dem 16. Jahrhundert und ist damit deutlich älter als sein Pendant, der südliche Turm. Letzterer geht auf eine umfassende Umgestaltung des Schlosses im 19. Jahrhundert zurück.
- Die ornamentale Verzierung der Stufengiebel (u. a. Voluten) sprechen die Sprache der Renaissance. Die betonte Symmetrie ist dagegen ein Merkmal des Neobarock. (Modell: Anne Wengler / Luise Rudolph, 2018)
Die Umgestaltung des Westflügels im 19. Jahrhundert
- Der Balkon nach dem Entwurf Dungers (19. Jhd.) erfüllte keine Funktion, Foto: Inger Sørensen, 2007 (SLUB / Deutsche Fotothek, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/71398551)
Der Umbau, durch den das Schloss seine heutige, historisierende Erscheinung erhielt, fand zwischen 1889 und 1901 unter der Ägide des Architekten Gustav Dunger (1845 - 1920) statt. Während Dunger ältere Bauteile wie den großen Mittelgiebel oder die Außentreppe zum Grünen Gewölbe in seinen Entwurf einbezog und auf diese Weise für die Nachwelt bewahrte, fügte er an anderer Stelle neue Elemente hinzu, wie zum Beispiel den von Atlanten getragene Balkon.
Im Gegensatz zum Ostflügel war die Fassadengestaltung des Westflügels lange Zeit vernachlässigt worden. Der Grund hierfür lag in seiner stadtabgewandten Lage. Als der Residenzbereich westlich des Schlosses im 19. Jahrhundert der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde und durch das Opernhaus von Gottfried Semper und die Gemäldegalerie immer stärker ins Zentrum des kulturellen Lebens der Stadt rückte, verlangte das aufstrebende Bürgertum an diesem prestigeträchtigen Platz nach einer repräsentativen und einheitlich gestalteten Schlossfassade. Da der König durch die Schwächung der Monarchie im 19. Jahrhundert die nötigen Mittel für einen Umbau aus eigener Kraft nicht mehr aufbringen konnte, stellten die sächsischen Landstände eine Summe von drei Millionen Reichstalern zur Verfügung, um der Fassade des Westflügels eine symmetrische Struktur zu geben. Somit nahm der Umbau des Schlosses 1889 am Westflügel seinen Anfang und setzte sich von dort aus auf die übrigen Flügel fort.
- Der Westflügel des Dresdner Residenzschlosses vor 1896 aber nach dem Umbau, Foto: Unbekannter Fotograf (SLUB / Deutsche Fotothek, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/81404671)
- Der Westflügel zwischen Zwinger und Hausmannsturm. Es fehlt der linke Giebel. Die Symmetrie wurde erst durch den Umbau (1889-1901) hergestellt. Vor dem Westflügel ist das alte Komödienhaus zu erkennen, Foto (Ausschnitt): Hermann Krone, 1875 (SLUB / Deutsche Fotothek, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/90045034)
Zur Geschichte: Der Westflügel in der Renaissance und im Barock
Der Westflügel unter den Brüdern Ernst und Albrecht zur Zeit der Frührenaissance (15. Jahrhundert)
Die mittelalterliche Burganlage verfügte bis ins 15. Jahrhundert über keinen Westflügel. Erst zwischen 1469 und 1480 kam es unter dem sächsischen Kurfürsten Ernst (1441-1486) und seinem jüngeren Bruder Herzog Albrecht (1443-1500) zu einer umfangreichen Erweiterung, die auch im Westen einen funktionalen Baukörper vorsah. Dieser frühe Westflügel wurde als Kanzleiflügel errichtet und diente der Unterbringung der Hofküche sowie einer ersten, dem heiligen Georg geweihten Burgkapelle. Im Gegensatz zu späteren Jahrhunderten übernahm der Westflügel zu dieser Zeit keine repräsentative Funktion. Dennoch demonstrierte das Bauwerk als vierflügelige Anlage den herrschaftlichen Machtanspruch ihrer Erbauer. Obwohl der Westflügel im 15. Jahrhundert noch unmittelbar an den Hausmannsturm anschloss und die gesamte Anlage damit sehr viel kleinere Dimensionen als das heutige Schloss erreichte, legten die Brüder Ernst und Albrecht durch die Ausweitung der Burg nach Westen den Grundstein für das Schloss der Hochrenaissance und für die spätere barocke Residenz.
Der Westflügel als Repräsentationsbau: Ausbau unter Kurfürst Moritz von Sachsen (1521-1553)
Durch die von Ernst und Albrecht vorgenommene Leipziger Teilung am 26. August 1485 kam es zur Spaltung des Hauses Wettin in eine ernestinische und eine albertinische Linie. Während Ernst Kurfürst blieb und von Torgau aus regierte, baute sich sein Bruder Albrecht das Dresdner Schloss zu seiner Residenz aus. Dieses etablierte Machtverhältnis änderte sich zwei Generationen später mit Moritz von Sachsen (1521-1553), dem Enkel Albrechts. Am 24. April 1547 siegte Moritz an der Seite Kaiser Karl V. in der Schlacht von Mühlberg bei Torgau über das Heer des Schmalkaldischen Bundes. Zum Dank übertrug der Kaiser die Kurwürde auf Moritz. Da dieser als ein Nachkomme der albertinischen Linie des Hauses Wettin in Dresden herrschte, wurde die Stadt durch seinen Sieg zur Residenz der sächsischen Kurfürsten.
- Modell (zerstört): Das Schloss nach der Vergrößerung durch Kurfürst Moritz (SLUB / Deutsche Fotothek, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/32021459)
Die Kurwürde veranlasste Moritz dazu, das Schloss erheblich zu vergrößern. Zunächst wurde der alte Westflügel abgerissen. In Verlängerung zum Nordflügel entstand ein neuer Flügel, das Neue Haus. Der Hausmannsturm rückte damit ins Zentrum des bestehenden Nordflügels (siehe Modell). Der alte Westflügel wurde durch einen neuen Flügel mit doppelter Breite ersetzt und bot damit in seinem Inneren zwei parallel verlaufenden Raumfluchten Platz. Im Erdgeschoss ließ Moritz eine repräsentative Raumfolge einrichten. Diese umfasste neben zwei kleineren Räumen einen großen Saal mit Turmzimmer. Noch heute geht die Bezeichnung Grünes Gewölbe für die Schatzkammer der Wettiner auf einzelne, grün bemalte Ornamente und Architekturglieder in diesen ehemaligen Festräumen zurück.
Die Schlosskapelle, die noch im 15. Jahrhundert im Westflügel untergebracht war, wurde in den nordwestlichen Flügel, d.h. in das Neue Haus neben dem Hausmannsturm, verlegt, in dem sie sich bis heute befindet.
Unter Moritz von Sachsen erhielt das Dresdner Schloss seine heutigen Dimensionen und wurde damit zur ersten regelmäßigen vierflügeligen Schlossanlage in Deutschland.
Der Ursprung des Grünen Gewölbes: Der Westflügel bekommt eine Kunstkammer
Nach Moritz Tod (1553) übernahm sein Bruder August (1526-1586) als Kurfürst von Sachsen ein modernes Schloss, das allen Anforderungen der Zeit entsprach. Der Westflügel war zu diesem Zeitpunkt der modernste und großzügigste Trakt der Anlage. August ließ im ersten Obergeschoss seine privaten Wohnräume sowie ein prunkvolles, mit Kassettendecke ausgestattetes Ratsgemach einrichten. Die Gemächer der Kurfürstin befanden sich im Südflügel des Schlosses, grenzten aber unmittelbar an diejenigen des Gatten an. Das zweite Obergeschoss beherbergte auf nördlicher, d. h. der Elbe zugewandten Seite, ein großes Tafelgemach, an das sich die sogenannten Brandenburgischen Gemächer anschlossen. Sie dienten der Unterbringung hochrangiger Gäste.
Eine besonderes Augenmerk schenkte August dem Ausbau des Dachgeschosses. Hier wurde neben der kurfürstlichen Bibliothek im Jahr 1560 die erste kursächsische Kunstkammer eingerichtet. Letztere war Ausganspunkt der beispiellosen Sammelleidenschaft sämtlicher nachfolgender Generationen sächsischer Kurfürsten. Das berühmte Grüne Gewölbe, das noch heute im Erdegeschoss des Westflügels besichtigt werden kann, geht auf die Gründung der Kunstkammer durch Kurfürst August zurück.
Vor dem Westflügel ließ August zwischen 1569 und 1574 den Schlossbezirk vergrößern und die Festungsanlagen erneuern. Der Bereich zwischen dem Westflügel und den angrenzenden Bastionen (heute Theaterplatz) trägt seit dieser Zeit die geläufige Bezeichung Zwinger. Der Name des späteren, weltberühmten Festpavillions August des Starken rührt somit aus dem Fortifikationswesen her.
Der Westflügel während der Spätrenaissance (16. Jhd.) und des Frühbarock (17. Jhd.)
Die sächsischen Kurfürsten, die unmittelbar auf August folgten, griffen nur wenig in die bestehende Struktur des Westflügels ein. Eine wichtige Veränderung erfolgte unter Christian I. (1560-1591), dem Sohn Augusts, indem er einen Teil der Kunstkammer vom Dachgeschoss ins Erdgeschoss verlegte. Er gab damit den heutigen Aufbewahrungsort für die Schätze des Grünen Gewölbes vor. Aus der ehemaligen festlichen Raumfolge des Moritzbaus wurde der Ort der Geheimen Verwahrung. Die dort ausgestellten Kunstschätze waren bis ins frühe 18. Jahrhundert - also über einen Zeitraum von knapp 100 Jahren - nur dem jeweiligen Kurfürsten zugänglich. Der Sohn Christians I., Johann Georg I. (1585-1656), ließ den Westflügel gänzlich unverändert. Lediglich im Bereich des Zwingers entstanden als reine Zweckbauten ein Reithaus (1618) und ein Schießhaus (1620).
Erst Johann Georg II. (1613-1680) griff wieder in die Ausgestaltung des Westflügels ein, indem er 1658 die Wohn- und Arbeitsräume seines Urgroßvaters (Kurfürst August) im 1. Obergeschoss den Standards einer barocken Residenz entsprechend umbauen ließ. Das nun mit farbigen Marmortafeln ausgestattete Ratsgemach wurde um ein nicht minder kostbar dekoriertes Audienzgemach erweitert. Außerhalb des Schlosses veranlasste Johann Georg II. in unmittelbarer Nähe zum Westflügel die Errichtung eines Komödienhauses (ab 1664). Er beauftragte damit den in Dresden tätigen Architekten Wolf Kaspar Klengel (1630-1691). Das Komödienhaus ersetzte einen hölzernen Vorgängerbau von 1597 und hatte bis 1751 Bestand, als Friedrich August II. (1696-1763) es zugunsten eines neuen Ballhauses (1755-1757) abreißen ließ.
- Das Komödienhaus von 1667 nach dem Entwurf von Wolf Kaspar von Klengel (SLUB / Deutsche Fotothek, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70217039)
- Das Schlossareal mit Zwingerbereich vor dem Westflügel um 1700. Klengels Komödienhaus berührt den Westflügel an seiner südlichen Ecke. Als schwarzes Band ist die Mauer zu erkennen, die den Schlossbreich von der Stadt abtrennte (SLUB / Deutsche Fotothek, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/32021470)
Neben der Errichtung des Komödienhauses erfolgte unter Johann Georg II. auch die Erneuerung des Reit- und des Schießhauses seines Vorgängers. Der Kurfürst ließ das ganze Zwingerareal durch eine Mauer von der Stadt abtrennen (siehe Plan rechts) und machte daraus einen höfischen Festbereich.
Die Nachfolger Johann Georg II. - Johann Georg III. (1647-1691) und Johann Georg IV. (1668-1694) - bescherten dem Westflügel erneut eine Phase ohne größere bauliche Veränderungen.
Der Werstflügel während der Herrschaft Kurfürst Friedrich August I., d. Starke (1670-1733)
Auch August der Starke, sächsischer Kurfürst von 1694-1733, veränderte das Äußere des Westflügels kaum. Die Renaissance-Architektur sollte bewusst an die rege Bautätigkeit seiner Ahnen und den Ursprung der Kurwürde der albertinischen Linie des Hauses Wettin erinnern. August widmete sich verstärkt dem Bereich vor dem Westflügel, wo in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts unter der Aufsicht des Architekten Matthäus Daniel Pöppelmann der Zwinger in mehreren Bauphasen entstand.
Das Innere des Westflügels wurde unter August dem Starken einer umfassenden Umgestaltung unterzogen. Der Kurfürst verwandelte das Grüne Gewölbe von 1723-1729 in ein barockes Gesamtkunstwerk. Jeder der acht Räume erhielt durch Spiegel, Wandvertäfelungen und vergoldete Ornamente eine individuelle und äußerst prunkvolle Ausstattung. Die Kunstschätze wurden ihrer Materialität entsprechend einem der Räume zugeordnet und auf Kommoden und Konsolen an den Wänden aufgestellt.
Das erste Obergeschoss nutzte August der Starke, ähnlich wie seine Vorgänger, zur Unterbringung privater Gemächer (sog. pfälzische Zimmer). Im zweiten Obergeschoss richtete der Kurfürst zu zeremoniellen Zwecken zwei repräsentative Raumfolgen ein. Sie waren während der Hochzeit von Augusts Sohn, Friedrich August II., und der habsburgischen Erzherzogin Maria Josepha von großer Bedeutung.
Das Grüne Gewölbe und die Paradezimmer unter August dem Starken
Das Grüne Gewölbe als eine früe Form des Museums
- Die Außentreppe zum Grünen Gewölbe wurde ab 1727 nicht mehr benutzt (Modell: Anne Wengler, 2018)
Bis 1727 war es möglich, das Grüne Gewölbe über eine Außentreppe zu betreten. Unter August dem Starken wurde dieser Zugang jedoch geschlossen. Es gab einen festgeschriebenen Eingang, der sich auf der Seite des Großen Schlosshofes befand. Als Besucher betrat man zunächst einen Empfangsraum, wo man einen geringen Eintritt zahlte und schwere Garderobe und Waffen ablegte. Anschließend durchschritt man die Räume des Grünen Gewölbes in festgelegter Abfolge: Bronzezimmer - Elfenbeinzimmer - Weißsilberzimmer - Silberzimmer - Pretiosensaal mit Eckkabinett - Wappenzimmer - Juwelenzimmer. Letzteres bildete den Ausklang der kostbar ausgestatteten Raumfolge. Von hier aus gelangte man wieder in das Bronzezimmer. Der angegebene Rundgang entspricht weitestgehend dem heutigen Weg, den der Besucher durch das Grüne Gewölbe nimmt. Lediglich Anfangs- und Endpunkt des Rundgangs unterscheiden sich von den Gegebenheiten im 18. Jahrhundert. Der heutige Besucher betritt das Historische Grüne Gewölbe durch das Elfenbeinzimmer und beendet die Besichtigung mit dem Bronzezimmer.
Die Schatzkammer der Wettiner im Westflügel des Dresdner Residenschlosses darf als eines der frühesten Museen in Europa gelten, da die Besichtigung bereits zur Zeit Ausgust des Starken unter Einhaltung gewisser Regeln möglich war.
Die Peradezimer im zweiten Obergeschoss
Die Paradezimmer im zweiten Obergeschoss gingen von dem großen Eckparadesaal bzw. Ecktafelgemach auf der nördlichen Seite des Westflügels ab. Das Ecktafelgemach entsprach dem Tafelgemach von Kurfürst August aus dem 16. Jahrhundert. Im 18. Jahrhundert diente es bei zeremoniellen Anlässen zur Durchführung von Schauessen. Nach dem Eckparadesaal schlossen sich auf Zwingerseite das Erste und Zweite Vorzimmer an. Letzters führte weiter in das Audienzgemach des Kurfürsten, in dem der Thron stand. Auf Hofseite folgte nach dem Audienzgemach das Paradeschlafzimmer. Zwischen dem Paradeschlafzimmer und dem Eckparadesaal befanden sich, den zermoniellen Weg abschließend, die Erste und Zweite Retirade. Die Aufteilung der Paraderäume des zweiten Obergeschosses ist mit der Gliederung der Brandenburgischen Zimmern aus der Zeit der Renaissance zu vergleichen.
- Westflügel, Audienzgemach, Ansicht einer Schmalseite mit Thron, um 1920, Foto: Paul Wolff (SLUB / Deutsche Fotothek, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/71076733)
- Westflügel, Paradeschlafzimmer, Paradebett des Kurfürsten, 1930, Foto: Unbekannter Fotograf (http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/71076737)
Zerstörung und Wiederaufbau: Der Westflügel als Museum
Als am 13. und 14. Februar 1945 britische und amerikanische Bomberverbände ihre Angriffe auf Dresden flogen, wurde das Schloss zu großen Teilen zerstört. Sämtliche Bereiche der ehemaligen Residenz fielen den Spreng- und Brandbomben zum Opfer. Glücklicherweise kam das Erdgeschoss des Westflügels vergleichsweise unbeschadet davon. Der Grund waren die dicken Mauern und die schweren Eisentüren, mit denen das Grüne Gewölbe bereits im 18. Jahrhundert vor möglichen Bränden geschützt wurde. Im Zweiten Weltkrieg gingen lediglich das Bronzezimmer, das Juwelenzimmer und das Wappenzimmer auf Hofseite verloren. Die übrigen fünf Räume der barocken Schatzkammer überstanden den Krieg nahezu unversehrt. Der Wiederaufbau des Schlosses konnte daher vom Westflügel aus begonnen werden.
- Schlossruine, Ansicht von Westen, 1947, Foto: unbekanter Fotograf (SLUB / Deutsche Fotothek, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/71076606)
- Der Westflügel nach dem Wiederaufbau, 1994, Foto: André Rous (SLUB / Deutsche Fotothek,http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/72064961)
Links: Die Schlossruine, Ansicht von Westen, 1947, Foto: Unbekannter Fotograf (SLUB / Deutsche Fotothek, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/71076606); Rechts: Der Westflügel nach dem Wiedraufbau, 1994, Foto: André Rous (SLUB / Deutsche Fotothek, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/72064961)
- Der Pretiosensaal im Historischen Grünen Gewölbe, 1957. Der Raum war nahezu unversehrt und bot die Grundlage für die Rekonstruktion der verlorenen Räume, Foto: Unbekannter Fotograf (SLUB / Deutsche Fotothek, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/71076807)
In einer großen Rahmenzielsetzung aus dem Jahr 1983 wurde festgelegt, die äußeren Fassaden des Schlosses gemäß des letzten Umbaus (1889 - 1901) zu rekonstruieren. Bezüglich des Westflügels entschied man sich außerdem dazu, im Inneren sowohl das Historische Grüne Gewölbe im Erdgeschoss als auch die Paraderäume im 2. Obergeschoss in barocker Pracht wieder erstehen zu lassen. Die Rekonstruktion der Paraderäume dauert bis heute an. Nach Abschluss aller Arbeiten wird der Westflügel eine gelungene Synthese aus historisch rekonstruierten Räumen und moderner Ausstellungsarchitektur bilden. Diese Gegenübestellung ist für den Besucher bereits heute in Form des Historischen Grünen Gewölbes mit seiner zum Teil barocken Originalausstattung im Erdgeschoss und des Neuen Grünen Gewölbes mit seinen modernen Museumsräumen im 1. Obergeschoss erfahrbar.
Mehr erfahren
Glaser, Gerhard: Das Grüne Gewölbe, in: Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Hg.): Das Dresdner Schloss. Monument sächsischer Geschichte und Kultur, Dresden 1992, S. 109-113.
Müller, Lucas: Wiederaufbau-Konzept und architektonische Umsetzung, in: Deutscher Geschichtsverein e. V. (Hg.): Das Dresdner Schloß - Geschichte und Wiederaufbau (Dresdner Hefte 38), Dresden 1994, S. 75-81.
Syndram, Dirk: Das Schloß zu Dresden. Von der Residenz zum Museum, Landshut 2001.
Syndram, Dirk: Die kurfürstliche Kunstkammer und die Sammlungen im Dresdner Residenzschloss, in: Lühr, Hans-Peter (Hg.): Das Dresdner Residenzschloss als Museum (Dresdner Hefte 104), Dresden 2010, S. 8-17.