Großer Schlosshof
- Luftansicht des Dresdner Schlosses, (c) Jörg Schöner 2011
Ohne Hof kein Schloss – das erzählt die Geschichte. Bereits der kastellähnliche Vorgängerbau aus dem 13. Jahrhundert schloss einen gepflasterten Hof ein, dessen Ausmaße sich im Zuge der Erweiterungen erst zur markgräflichen Burg und dann zum kurfürstlichen Residenzschloss bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts auf etwa das Doppelte vergrößerten. Danach lag der Hof zweimal zu großen Teilen oder gar vollständig zerstört in Trümmern, ehe man immer wieder alle Anstrengungen unternahm, das Schloss wieder aufzubauen.
So ist der große Schlosshof heute Zeuge für die wechselvolle Vergangenheit des gesamten Dresdner Schlosses. Hier hinterließen Katastrophen, Politik und Weltgeschichte ihre Spuren und gaben dem Hof ein sich stetig wandelndes Gesicht.
For over half a millennium the grand courtyard constitutes the centre of Dresden’s Residenzschloss. Surrounded by the four wings of the castle, the courtyard provided the scenery for roaring parties und the frame of portentous ceremonies. His rich and ornate architecture made him the instrument of royal representation. Without courtyard there’s no castle- the history tells. The castle-like previous building from the 13.th century included a paved courtyard. The dimensions doubled until mid-sixteenth century. Afterwards the court was once destroyed in large parts and once completely before time and again all measures were taken to rebuild the castle. Today the grand courtyard is a witness of the eventful past of Dresdens castle. Disasters, politics and world history left their traces and gave the courtyard an ever-changing face.
Text: Nils Philippi.
Türme, Balkone und Portale – Die Struktur des großen Schlosshofes
- Grundriss des großen Schlosshofes, (C) Janek Müller
Unter Leitung des Baumeisters Caspar Voigt von Wierandt wurde zwischen 1547 und 1553 nach französischem Vorbild eine Vierflügelanlage auf fast rechtwinkligen Grundriss errichtet, die man nach seinem Erbauer auch als Moritzbau bezeichnet. Ebenfalls von französischen Schlössern inspiriert sind die in den Ecken des Hofes platzierten Treppentürme, die sog. Wendelsteine (1). In der Dachzone kann man mit den symmetrisch angeordneten Zwerchhäusern, ihren zweistöckigen Fenstergiebeln und geschmückt mit Voluten, ein Charakteristikum deutscher Renaissancearchitektur sehen. Zu Füßen des Hausmannsturms und in der Mittelachse des Hofes thront der Altan (2) mit seiner viergeschossigen Loggia. Links daneben, ebenfalls an der Nordwand, befndet sich der Eingang zur Schlosskapelle (3), ihm schräg gegenüber im Süden des Hofes liegt das barocke Portal zum kleinen Schlosshof (4). Die eindrucksvolle Erscheinung des großen Schlosshofes wird ganz wesentlich durch die reiche Fassadengestaltung in sog. Sgraffitti bestimmt. Diese aus Italien stammende Technik fand mit dem Dresdner Schloss erstmals nördlich der Alpen Verwendung und kleidete ehemals jede einzelne Fassade des Baus.
Die weitestgehende Regelmäßigkeit ihrer Architektur und die aufwendige künstlerische Ausgestaltung im Stil der Renaissance machten die neue Dresdner Residenz zum modernsten und vielleicht auch prächtigsten Schloss im deutschen Reich. Damit setzen die Wettiner ihre innovative und aufsehenerregende Bautätigkeit fort, so galt die etwa 100 Jahre zuvor errichtete Albrechtsburg in Meißen als erstes deutsches Schloss überhaupt. |
---|
- Rundgang und Pilaster des nordöstlichen Wendelsteins, (C) Jörg Schöner
Losgelöst von ihrer Funktionalität, blieben die Wendelsteine durch ihre aufwendige Ausgestaltung ein prägendes Schmuckelement des Hofensembles. |
---|
Die zwei nördlichen Treppentürme fallen durch besonders reiches Dekor auf: Ihre Postamente zeigen plastischen Figurenschmuck, am Rundgang darüber findet sich ein filigran gearbeitetes, teilvergoldetes Geländer, dem ersten bis dritten Obergeschoss sind kunstvolle Pilastern vorgeblendet, die einen breiten, besonders schmuckvollen Fries tragen (mehr zur Ikonographie des Bauschmucks). Ganz ohne Postamente und mit jeweils nur einstöckigen Eckpilastern fallen die Treppentürme im Süden weitaus schlichter aus. Alle vier Wendelsteine schließen in einem Kuppeldach mit hohem Helm ab.
- Der Altan vor 1889, (c) SLUB/Dt. Fotothek
Mit seinen enormen Ausmaßen von ca. 75 x 45 Metern bot der große Schlosshof genügend Platz für Festlichkeiten jeder Art. Bis zum 18. Jahrhundert wurden hier Paraden, Turniere und sogar Tierjagden veranstaltet. 1695 berichtete ein Chronist:
"Als (...) des (...) [K]urfürsten Majestät (...) verschiedene Festivitäten ausgestellt, fand sich ein Seiltänzer, welcher ein Seil von desselben [Hausmannsturm] Spitze bis vorn Schloß[hof] (...) herunter gezogen, auf solchen herab gefahren, und in währender Fa[hrt] so wohl ein Glas Wein aus getrunken, in währendem Trincken auch 2 Pistolen (...) los gebrennet". [1]
Wie auch die Rundgänge der Wendelsteine, so dienten die Loggien des Altans den Zuschauern von Veranstaltungen im großen Schlosshof als Tribüne, wobei hier sowohl höfisches als auch Dresdner Publikum Platz fand. Es ist überliefert, dass auch die städtische Bevölkerung Teil der Festkultur im Dresdner Schloss war.
Zusammen mit den reichgeschmückten nördlichen Wendelsteinen entfaltet der viergschossige Altan mit seiner klassischen Reihung von toskanischen, ionischen und kompositen Säulen eine feierliche Architektur, die in den gesamten Hofraum hineinwirkt. An den Fassaden hinter dem Altan fanden sich in den beiden Mittelgeschosse ehemals Fresken (mehr zur Bedeutung) – die einzige farbige Fassadengestaltung im gesamten Hof.
Im Gegensatz zu den Wendelsteinen ist der Altan im großen Schlosshof der Dresdner Residenz kein architektonisches Zitat, sondern Ergebnis einer ausgesprochen sächsischen Bautradition. Auch an den Wettinerschlössern in Torgau und Meißen zeigt sich eine starke Betonung der Fassadenmittelachse, wie die besondere Hervorhebung eines schmuckvollen Wendelsteins. In der Vereinigung dieser beiden Motive wird der Dresdner Altan zu einer dominanten Eigenheit des Schlosses.
Das Portal zum kleinen Schlosshof
- Das Portal zum kleinen Schlosshof, (c) Institut für Denkmalpflege Dresden
Das von Georg Starcke erbaute Portal ist auf der Seite zum kleinen Hof deutlich zurückhaltender gestaltet als auf jener des großen Hofes. Hier greift Starcke mit den Doppelsäulen toskanischer Ordnung und dem Gitter der daraufliegenden Brüstung Gestaltungselemente aus älteren Bauteilen des Hofes – Wendelsteine und Altan – wieder auf. Die Tür zum Balkon über dem Portal ist seitlich mit Voluten geschmückt, links und rechts davor stehen Skulpturen des Herkules und der Minerva. Im Scheitel des Rundbogens des Portals findet sich das Wappen Kursachsens.
Als zehn Jahre später das Grüne Tor geschaffen wurde, verlor das Portal zum kleinen Schlosshof seine Funktion als Hauptzugang zum großen Hof. Das Portal blieb aber als Zugang in das Innere des Schlosses weiterhin essentiell: Seitlich von ihm gelangt man in das Vestibül der Englischen Treppe, dem zentralen und repräsentativen Treppenhaus des Schlosses. |
---|
Von Renaissance bis Historismus, zwischen Fest und Zeremoniell
– Funktion und Gesicht des Hofes im Wandel der Zeit
Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges wurde für den großen Schlosshof – abweichend zum übrigen Wiederaufbau des Dresdner Schlosses – eine Wiederherstellung des Zustandes aus dem 16. Jahrhundert angestrebt. Im Wesentlichen begegnen uns hier deshalb Renaissanceformen, wie der Altan, die Zwerchhäuser und Wendelsteine und insbesondere die Sgraffitti an den Fassaden. Diese stehen allerdings neben Elementen aus dem Barock sowie Ergänzungen des 20. Jahrhunderts. In seiner Gesamtheit ist der große Schlosshof deshalb heute eine Schöpfung des 21. Jahrhunderts, welche so zuvor nie existierte.
Diese architektoniche Vielflat und Vermischung ist Beleg und Ergebnis der wechselvollen Geschichte des Schlosses. Neben Zerstörungen war es auch der Wandel im Zeitgeschmack und den funkionalen Anforderungen an Schloss und Hof, die diesen immer wieder markanten architektonischen Veränderungen unterwarf. Vereinfachend lässt sich die Bauhistorie des großen Schlosshofes in drei Zeitabschnitte gliedern:
Der Hof im Moritzbau des 16. Jahrhunderts |
---|
Die Baugeschichte des großen Schlosshofes im Detail
1547-1553 |
Ausbau zum Residenzschloss unter Kurfürst Moritz: Moritzbau als vierflügelige Analge über fast rechtwinkligem Grundriss. Wo heute das verhältnismäßig kleine Barockportal den Übergang zum kleinen Schlosshof bildet, steht ein wuchtiges Torhaus, welches aus dem Vorgängerbau des Schlosses übernommen wurde. Weil dieses sehr viel Platz einnimmt, finden sich im Schlosshof nur drei Wendelsteine im Nordosten, -westen und Südwesten, welche 1549 bzw. 1550 datiert sind.
Die Italiener Benedikt und Gabriel Tola schaffen die Sgraffitti an den Fassaden des Baus. |
1602/1678 |
Erste und zweite Restaurierung der Sgraffitti |
1701 1717-1719
|
Schlossbrand. Das Innere des Nord- und Ostflügels des Dresdner Schlosses liegt 16 Jahre in Schutt und Asche.
Der Kupferstich, der den Einzug der österreichischen Braut im Jahr der Hochzeit 1719 festhält, vermittelt sehr eindrücklich, wie grundlegend sich das Erscheinungsbild des Hofes durch die Umgestaltungen im Stile des Barock veränderte. Gleichzeitig veranschaulicht dieser auch auf die Nutzung des Hofes im Rahmen des höfischen Zeremoniells. So war penibel geregelt, wer einen solchen Festzug durch das Grüne Tor in den großen Schlosshof begleiten durfte, dann vor dem Portal zum kleinen Hof verweilen musste, oder noch über die Englische Treppe ins Innere des Schlosses folgen durfte. |
1883 |
Restaurierung der nördlichen Wendelsteine. ![]() ![]() |
Ein Hof erzählt – Die Ikonographie des Bauschmucks im großen Schlosshof
- Rekonstruierte Sgraffitti an der Westwand des großen Schlosshofes, (C) Landesamt für Denkmalpflege Sachsen
Damit waren die Sgraffitti ehemals ein Mittel der politischen Propaganda, die das Selbstverständnis des Kurfürsten repräsentieren sollten. Dieses sehr komplexe Bildprogramm war vermutlich schon im 17. Jahrhundert zu großen Teilen unverständlich geworden, da dessen Quellen schnell verloren gingen. Auf Grund der enormen repräsentativen Wirkung restaurierte man die Sgraffitti allerdings noch zweimal, bis sie Mitte des 18. Jahrhunderts für fast 300 Jahre verloren gingen. |
---|
Die von Francesco Riccino geschaffenen Fresken hinter dem Altan können als Anspielung auf die Position Moritz' als Schutzpatron der Protestanten im Deutschen Reich verstanden werden. Sie zeigten die Bekehrung Pauli, die Anbetung des Christus Kind durch die Heiligen Drei Könige sowie Königin Saba vor Salomons Thron. Die Rekonstruktion der Fesken soll bis 2019 abgeschlossen sein und damit den Wiederaufbau des Schlosshofes komplettieren.
Die Reliefs im großen Schlosshof stammen höchstwahrscheinlich von der Werkstatt des Dresdner Hans Walthers. Sie finden sich in den Friesen der beiden nördlichen Wendelsteine und der Brüstung des ersten Obergeschosses des Altans. Hier werden antike Schlachten wie der Kampf um Troja und die Perserkriege dargestellt, welche nach Gurlitt in Bezug zu Moritz' Kriegserfolgen gestellt werden können. Im Bauschuck der Postamenten der nördlichen Wendelsteine vermengen sich erneut antike und biblische Quellen. So finden sich bei den Trägerfiguren seitlich der Portale sowohl maniersitische Hermen, als auch Adam und Eva und Wilder Mann und Wilde Frau. Zu erwähnen ist außerdem die überaus reiche Groteskengestaltung der Postamente.
Literatur zum Großen Schlosshof
Dresdner Geschichtsverein (1994). Das Dresdner Schloss –
Geschichte und Wiederaufbau. Dresdner Hefte. Beiträge zur Kulturgeschichte, 12. Jahrgang, Heft 38, S. 11-48, 82-89.
Dülberg, A.; Oelsner, N.; Pohlack, R. (2013). Das Dresdner Residenzschloss. 2. Aufl., Berlin/München: Deutscher Kunstverlag.
Löffler, F. (1992). Das alte Dresden. Geschichte seiner Bauten [1955]. 11. Aufl., Leipzig: Seemann.
Müller, J. (2004). Das Residenzschloss zu Dresden [1995]. Kursächsische Wanderungen Heft 4, 3. Aufl., Dresden: Hellerau-Verlag.
Syndram, D. (2015). Das Schloss zu Dresden. Leipzig: Seemann.
Literaturverweise
[1] zit.n. Müller (2004), S. 30.
[2] zit.n. Syndram (2015), S. 45.
Abbildungsnachweise
Abb. 1: Jörg Schöner: Luftaufnahme Schloss Dresden 2011, unter: http://www.joerg-schoener.de/cms/front_content.php?idart=1&thema=schloss#5
Abb. 2: Grundriss Dresdner Schloss, aus: Janek, Müller (2004). Das Residenzschloss zu Dresden. Dresden: Hellerau Verlag, S. 10.
Abb. 3: Jörg Schöner: Fotografie Wendelstein Nordost, 2011, aus: Syndram, Dirk (2015). Das Schloss zu Dresden. Leipzig: Seemann, S. 120.
Abb. 4: Fotografie Altan, vor 1889, (c) SLUB/Deutsche Fotothek, unter: http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/71076634
Abb. 5: Fotografie Portal zum kleinen Schlosshof, (c) Institut für Denkmalpflege Dresden, aus: Löffler, Fritz (1992) Das alte Dresden, S. 90
Abb. 6: Azelt, Johann: 2. Ansicht aus der "Durchlauchtigsten Zusammenkunft", Kupferstich 1680, (c) SKD, Andreas Diesend, unter: https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/977026
Abb. 7: Azelt, Johann: 3. Ansicht aus der "Durchlauchtigsten Zusammenkunft", Kupferstich 1680, (c) SKD, Andreas Diesend, unter: https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/977027
Abb. 8: Quirijn Fonbonne: Einzug Maria Josephas durch den großen Hof des Dresdener Schlosses 1719, Kupferstich um 1728, (c) SLUB/Deutsche Fotothek, unter: http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/32021493
Abb. 9: Fotografie Westwand, 2011, (c) Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, unter: http://www.denkmalpflege.sachsen.de/1438.htm