Stallhof
Text: Cäcilia Hebeis
- Abb. 1: Modell des Dresdner Stallhofes aus der Vogelperspektive. (Tereza Kolesárová, 2018)
Der Stallhof ist der älteste noch erhaltene Renaissancehof Europas. Er bildet mit seinen Gebäuden ein eigenes Ensemble und ist gleichzeitig Teil des gesamten Schlosskomplexes. Erbauen lies Kurfürst Christian I. Hof und Gebäude zwischen 1586 und 1591 von Hans Irmisch und Paul Buchner als Erweiterung seines Schlossareals. Das Stallgebäude ist durch den Langen Gang direkt mit dem Schloss verbunden und diente nicht nur der Unterbringung der kurfürstlichen Pferde. Auch deren prunkvolle Ausstattung wurde in den oberen Etagen aufbewahrt. Auf dem Platz zwischen den Gebäuden fanden Turnierreiten und Festlichkeiten statt, für die der Dresdner Hof europaweit bekannt war.
The Stallhof (stable courtyard) is the oldest still preserved renaissance courtyard in Europe. It forms its own ensemble with its buildings and is at the same time part of the entire castle complex. The Stallhof and its buildings were built between 1586 and 1591 by Hans Irmisch and Paul Buchner on the order of Elector Christian I to expand the castle area. The stable building is connected to the castle itself by the Langer Gang (long aisle) and did not only serve as a means to accomodate the nobles’ horses: their ornate gear, too, was stored in the upper levels. The area between the buildings was used for tournaments and festivities Dresden’s court was known for in all of Europe.

360° Panorama des Dresdner Stallhofes. (Julia Mirtschink, 2018)
Um den Stallhof in seinem gesamten Umfang zu besichtigen, folgen Sie bitte unserem Rundgang. Wir beginnen am Eingang unterhalb des Georgentores. In den Hof blickend sehen Sie nun zu Ihrer Linken die Arkaden des Langen Ganges. An dessen Ende, Ihnen gegenüber, befindet sich das ehemalige Stallgebäude, heute Johanneum genannt. Rechts von Ihnen wird der Hof von einer hohen Wand begrenzt, dahinter können Sie die Dächer des Kanzleigebäudes sehen.
Gliederung
1. Ein Turnierplatz für den Kurfürsten
2. Der Lange Gang
3. Das Stallgebäude
4. Das Kanzleihaus
5. Außenrundgang
6. Zur weiteren Information
Ein Turnierplatz für den Kurfürsten
Kurfürst Christian I. ließ den Stallhof mit seinen eingrenzenden Bauwerken nicht nur aus praktischen Gründen zur Unterbringung seiner Pferde, Kutschen und Turnierausrüstungen errichten. Mit dieser Erweiterung des Schlosskomplexes konnte er auch den Stellenwert der Dresdner Residenz im europäischen Kontext deutlich anheben. Dazu trugen auch die zahlreichen Feste und Turnierreiten bei, für die der Platz seit seiner Einweihung im Jahr 1591 rege genutzt wurde. Turniere, Feiern, Karnevalsumzüge und die sogenannten „Planetenfeste“ füllten den Stallhof mit prunkvoll angekleideten Pferden, kostümierten Reitern und zahlreichen Gästen, die vor allem in den Arkaden des Langen Ganges Platz fanden. Die beiden noch erhaltenen Säulen aus Bronze dienten beispielsweise dem sogenannten Ringstechen. Bewertet wurden die Wettkämpfe von Preisrichtern in den „Judicir-Logen“, den Rundbogenfenstern in der Mauer zum Kanzleigebäude.
- Abb. 2: Ringrennen Christian II. von Sachsen zur Fastnacht 1607 im Stallhof des Dresdner Schlosses, Malerei in Deckfarben in einer Papierhandschrift, 17. Jahrhundert, SLUB Dresden. (Aus: SLUB / Deutsche Fotothek, Regine Richter, 1986, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/90083859)
Nach Südosten hin erweitert sich der Hof vor dem Stallgebäude und bietet Platz für die große Pferdeschwemme. Ursprünglich besaß diese eine kunstvollere Form mit doppelläufiger Rampe und Löwenkopf-Speier. Bei einem Umbau des Stallgebäudes wurde sie 1745 in ihre heutige Form gebracht. Eingerahmt wird diese Seite des Hofes von der breiten Rampe, die zum ersten Obergeschoss des Stallgebäudes führt.
Auf den Stallhof gelangte man durch drei Tore, die auch heute noch alle zugänglich sind. An den beiden Enden des Langen Ganges befinden sich das Jagd- und das Stalltor, wobei das direkt neben dem Georgentor befindliche Jagdtor den Hauptzugang zum Hof bildete. Auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes sehen Sie unter der Rampe ein schmuckloses Tor als Durchgang zur Schössergasse.
Der Stallhof diente bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts als Festplatz. 1833 wurde er als Parkanlage umgestaltet. Im Zuge einer Restaurierung entstand 1934 der Zugang zum Hof direkt durch den Georgenbau. Außerdem wurde er in seinen Ursprungszustand als Turnierplatz zurückversetzt, da zum 350jährigem Bestehen von Stallhof und Stallgebäude Feierlichkeiten in traditioneller Form mit Turnierreiten und Kostümparaden stattfanden. Sogar die längst trockengelegte Pferdeschwemme wurde hierfür wieder mit Wasser gefüllt.
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Im zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört fanden ab den 50er Jahren Wiederaufbauarbeiten im und um den Stallhof herum statt. Seit 1997 wird der Hof für den bei Touristen und Dresdnern sehr beliebten Mittelalterweihnachtsmarkt genutzt.
- Abb. 5: Der Mittelalter-Weihnachtsmarkt im Stallhof. (Fotorechte: BC GmbH, Autor M.M)
Der Lange Gang
- Abb. 6: Modell der Hofseite des Langen Ganges. (Julia Mirtschink, 2018)
- Abb. 7: Blick durch das Modell des Langen Ganges in Richtung Schloss. (Julia Mirtschink, 2018)
Damit die Kurfürsten direkt vom Schloss aus in das Stallgebäude gelangen konnten, entstand an der Stelle der äußeren mittelalterlichen Stadtmauer ein ca. 100 Meter langer Verbindungsgang. Die Schauseite zur Augustusstraße hin war komplett geschlossen, während auf der Hofseite ein geschlossenes Obergeschoss über einem offenen Arkadengang mit 22 toskanischen Säulen ruhte. Diese Seite war außerdem geschmückt mit Wappen der wettinischen Länder, Grisaillemalerei und einer Sonnenuhr und durch Fenster untergliedert. Von hier aus konnte die höfische Gesellschaft die Turniere auf dem Platz verfolgen. Da häufig Gäste durch den Saal im Obergeschoss zum kurfürstlichen Stall und der darin befindlichen Rüstkammer geführt wurden, bot er den idealen Standort für eine repräsentative Ahnengalerie des Hauses Wettin mit 53 Fürstenportraits von Heinrich Göding. 1731 richtete August der Starke im Langen Saal eine Gewehrgalerie ein.
Im 19. Jahrhundert veränderte sich die Hofseite des Langen Ganges stark. Prinz Friedrich August II. ließ zwischen 1833 und 1844 alle Arkadenbögen verschließen und eine Decke auf Höhe der Säulenkapitelle einziehen. Der untere Bereich diente als Wagenschuppen. 1899 mussten 1 ¾ Bögen außerdem dem Anbau eines Seitenflügels am Georgenbau weichen, so dass die Arkaden seitdem nur noch aus 20 Säulen bestehen.


Abb. 8 / 9: Der Zustand des Langen Ganges in geschlossener Form im Vergleich zur heutigen Gestaltung.
(Abb. 8: Aus: SLUB / Deutsche Fotothek, um 1900, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/71060532,
Abb. 9: Julia Mirtschink, 2018)
An der Seite zur Augustusstraße hin erhielt der Lange Gang ab 1872 den Fürstenzug, erst gemalt und 1905 in Meissner Porzellan.
1933/34 gab es Restaurierungsarbeiten im Stallhof und der Arkadengang erhielt weitgehend seine ursprüngliche Gestaltung zurück. Bereits wenige Jahre darauf entstanden schwere Kriegsschäden. Ab Ende der 60er Jahre erfolgte der Wiederaufbau, wobei auch die Grisaillemalerei zu Teilen wieder rekonstruiert wurde. 2007 kam es auf dem alljährlichen Mittelaltermarkt zu einem Brand, bei dem vor allem der Lange Gang beschädigt wurde. Somit war wieder eine Renovierung notwendig.
Genutzt wurde der Lange Saal von 2007 bis 2015 für die Schifffahrtsausstellung des Verkehrsmuseums, welches sich im ehemaligen Stallgebäude befindet. Derzeit (Stand 2017/2018) wird er für eine Nutzung durch die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden umgebaut.
Das Stallgebäude
- Abb. 10: Modell der Hofseite des ehemaligen Stallgebäudes. (Tereza Kolesárová, 2018)
- Abb. 11: Modell des ehemaligen Stallgebäudes zur Augustusstraße hin. (Sven Pieper, 2018)
Der „kurfürstliche Reisige Stall“ erfuhr im Laufe der Zeit mehrere Umbauten und ist heute als Johanneum bekannt. Ursprünglich diente das Untergeschoss des großen dreiflügeligen Renaissancebaus der Unterbringung der kurfürstlichen Pferde. Für einen Stall war die Ausstattung äußerst luxuriös: geschnitzte Pferdeboxen, bronzene Wasserspeier und hydraulische Einrichtungen dienten der Versorgung der Tiere. Besonderen Wert legte man auf die Gestaltung der Schauseite in Richtung Neumarkt. Hier befanden sich an beiden Ecken ursprünglich zwei bastionsartige Vorbauten, während die Wände passend zum Schloss mit Grisaillemalerei verziert waren. Die beiden Tore in derber Rustika mit Löwenköpfen als Schlusssteine blieben durch alle Umbauten hindurch erhalten.
In der oberen Etage wurde die prunkvolle Ausstattung für Turniere und festliche Aufzüge aufbewahrt. Zur Ausstaffierung im „Rüststüblein“ konnten die Pferde über die große, geschwungene Rampe vom Stallhof aus direkt in das Obergeschoss des Gebäudes gebracht werden. Weitere Räumlichkeiten mit Kunstschätzen wurden vor allem für repräsentative Zwecke genutzt.
- Abb. 12: Emil Kohler: Das Stallgebäude im Jahr 1680, 1885, Lithographie, 17 x 10 cm. (Aus: SLUB / Deutsche Fotothek, 2010, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/90068142)
1729 bis 1731 ließ August der Starke durch J. G. M. von Fürstenhoff den ersten Umbau am Stallgebäude vornehmen. Die Rüstkammer wurde zuvor ausgelagert. Anstelle des ursprünglich hohen Giebeldaches bekam das Gebäude ein zweites Obergeschoss. An der Schauseite entstand die noch heute das Gebäude prägende doppelläufige Freitreppe, die direkt in den Festsaal im ersten Obergeschoss führte. Gekrönt wurde das Gebäude mit einem Dreiecksgiebel mit sächsisch-polnischem Wappen.
- Abb. 13: Moritz Bodenehr: Das prächtige neue Königl. Stallgebäude in Dresden mit der Engl. Treppe, 1744, Kupferstich, 40 x 25cm. (Aus: SLUB / Deutsche Fotothek, 2006, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70300813)
Nur wenige Jahre nach dem ersten Umbau beauftragte der Sohn August des Starken, Kurfürst Friedrich August II., J. C. Knöffel mit weiteren Baumaßnahmen, um ausreichend Platz für die stetig wachsende Gemäldesammlung zu schaffen. Von 1744 bis 1746 änderte sich somit abermals die Gestalt des Gebäudes. Die bastionsartigen Eckbauten an der Schauseite verschwanden. Die beiden Obergeschosse wurden verbunden und mit hohen Rundbogenfenstern versehen, welche für eine bessere Belichtung der Gemälde sorgten. In der neuen museumsartigen Gestaltung hatten nun auch öffentliche Besucher die Möglichkeit, die gesammelten Werke der Kurfürsten zu betrachten.
- Abb. 14: Augustus Bozzi Granville: Das Stallgebäude als Gemäldegalerie, 1828. (Aus: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Johanneum_ Dresden_Gem%C3%A4ldegalerie.jpg)
Das Untergeschoss wurde bis ins Jahr 1792 weiterhin als Stallung genutzt. Ab 1794 befand sich hier die Gipssammlung. 1856 wurden Gips- und Gemäldesammlung jedoch ausgelagert und das Gebäude stand weitgehend leer. 1872 bis 1876 erfolgte schließlich der dritte Umbau durch K. M. Haenel, der vor allem die Außenfassaden im Neorenaissance-Stil gestaltete und mit Schmuckelementen verzierte. So blieb der Schauseite letztendlich von jeder Bauphase etwas erhalten: die beiden Tore vom ursprünglichen Zustand, die doppelläufige Treppe vom ersten Umbau, die hohen Rundbogenfenster vom zweiten und schließlich der dekorative Schmuck vom dritten Umbau. Auftraggeber dieses letzten Umbaus war König Johann und das Gebäude erhielt den Namen „Johanneum“. Es beherbergte anschließend die Porzellansammlung und die Rüstkammer, welche somit an ihren ursprünglichen Standort zurückkehrte und als bedeutendste Waffensammlung Deutschlands galt.
- Abb. 15: Johanneum und Türkenbrunnen vor dem 2. Weltkrieg. (Aus: SLUB / Deutsche Fotothek, Walter Möbius, 1930, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/82026622)
Im zweiten Weltkrieg wurde das Johanneum sehr stark zerstört und von 1954 bis 1968 wieder aufgebaut. Bereits 1956 gab es erste Ausstellungen des Verkehrsmuseums im Gebäude. Seit 1958 hat das Museum hier seinen festen Sitz.
Das Kanzleihaus
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Hinter der inneren mittelalterlichen Stadtmauer befindet sich das ehemalige Kanzleihaus. Es wurde schon 1565 bis 1567, also 20 Jahre vor dem Stallhof-Ensemble, von Hans Irmisch erbaut, denn in den Jahren zuvor war die Behördenstruktur verfeinert worden, sodass größere und öffentlich zugängliche Räumlichkeiten notwendig waren. Das erste Verwaltungsgebäude Dresdens beherbergte Archive, Kanzleien, verschiedene Räte sowie die Hofbuchdruckerei und –binderei. Der dreiflügelige Bau war der einzige der Stallhofgebäude, welcher noch in der originalen Sgraffittotechnik von Benedikt und Gabriel da Tola verziert wurde, orientiert an der erst kurz zuvor fertiggestellten Fassadengestaltung des Schlosses. Diese Malereien wurden jedoch spätestens 1737 entfernt.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts befanden sich das sächsische Kriegsministerium und die Hofapotheke im Kanzleigebäude. 1902 baute man die hohen Satteldächer mit Renaissancegiebeln am West- und Südflügel zu einem Vollgeschoss um, der Ostflügel blieb unverändert. Sechs Jahre später zog dort das Münzkabinett ein.
Nachdem das Kanzleihaus in der Bombennacht im Februar 1945 sehr stark beschädigt wurde, war ein Wiederaufbau zunächst nicht geplant. 1963 trug man sogar die Ruinen ab und der Keller wurde zugeschüttet. Lediglich die äußeren Mauern zum Stallhof blieben wie eine Kulisse stehen. Erst nach und nach bildete sich ein Bewusstsein für die historische Bedeutung des Baues. 1996 erhielt das Bistum Dresden-Meißen das Grundstück als Kriegsentschädigung für ihr nahegelegenes, ehemaliges Verwaltungsgebäude. Mit dem Neubau sollte der Zustand des Hauses vor dem Umbau 1902 rekonstruiert werden, wobei vor allem am Westflügel einige Kompromisse eingegangen werden mussten. 1999 wurde das „Haus der Kathedrale“ eingeweiht, welches unter anderem den Sitz des Bistums, den Wohnsitz des Bischofs sowie die St. Benno-Buchhandlung beherbergt.
Außenrundgang
Nachdem Sie den Stallhof von innen kennengelernt haben, empfielt es sich, die Schauseiten der Gebäude nach außen hin zu betrachten. Sie können dafür den Stallhof durch den Georgenbau oder das Jagdtor verlassen und an der Augustusstraße beginnend den gesamten Komplex noch einmal umrunden. Sie gehen dafür zuerst am Fürstenzug entlang, kommen danach zur Schauseite des Johanneums am Jüdenhof und gelangen dann über Sporergasse, Schössergasse und Kanzleigässchen zum „Haus der Kathedrale“. Anschließend befinden Sie sich vor dem Ostflügel des Schlosses.
Zur weiteren Information:
Donath, Günter: Zur Authentizität der Fassaden und der Baugestalt des wiederaufgebauten Kanzleihauses in Dresden; in: Landesamt für Denkmalpflege Sachsen (Hg): Denkmalpflege in Sachsen, Leipzig 1999, S. 64-79.
Koch, Heinrich: Der Stallhof in Dresden und seine Wiederherstellung; in: Reichs- und Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung u.a. (Hg.): Deutsche Kunst und Denkmalpflege 7/8 (1936), Berlin/Wien, S. 205-210.
Walter, Dr. Angelo: Der Zeitpunkt der Errichtung der Dresdener Gemäldegalerie im Stallhof Teil I & Teil II – Schluß; in: Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Hg.): Dresdner Kunstblätter, Jg. 23 (1979), S. 108-125 & 152-155.