Ostflügel

 

Text: Muriel Fidler

Ostflügel von Südosten
Ansicht des Residenzschlosses von Südosten (Wikimedia Commons, Urheber: X-Weinzar, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Dresden_Residenzschloss_1.JPG, Lizenz: CCBY-SA2.5, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5/deed.en, Stand: 01.02.2018)
Vom Kochtopf zum rauschenden Fest – in seiner 800-jährigen Geschichte vollführte der Ostflügel eine Wandlung vom mittelalterlichen Küchentrakt zum kulturellen und repräsentativen Mittelpunkt des Dresdner Residenzschlosses.

Obwohl die Räumlichkeiten der Zerstörungswut des Zweiten Weltkrieges zum Opfer fielen und bis auf die Außenmauern niederbrannten, finden sich hier die ältesten erhaltenen Bauelemente der Anlage: mittelalterliche Burgteile im Keller, spätgotische Gewölbe im Erdgeschoss, barocker Bauschmuck im Obergeschoss. Treppauf entführt der Ostflügel in eine Reise durch die Zeit und kulminiert schließlich im Riesensaal, wo der Besucher in das Spannungsfeld zwischen vergangener Pracht und moderner Inszenierung gerät.

From saucepan to luscious festivity - in its history spanning 800 years, the East Wing turned from medieval kitchen wing to the cultural and representative centre of the Dresden Castle.

Although the premises fell prey to the destructive fury of World War II and, save the outer walls, burned down entirely, it is at this spot that the oldest preserved components of the complex are to be found: medieval castle remnants in the basement, late Gothic vaults on the ground floor, Baroque architectural ornamentation on the upper floor. Upstairs, the East Wing whisks you away on a trip across time, culminating in the Riesensaal (the Giants' Hall), where the visitor is held captive
between bygone splendour and contemporary presentation.

 

Gliederung

1. Äußere Schau - Die Ostfassade als Mittel der Selbstinszenierung
2. Vom gotischen Hof zum barocken Prachtbau
3. Das Schloss als höfisches Spektakel
4. Seit dem Krieg: Verluste, Rückgewinne, Neuanfänge
5. Mehr zum Thema

 

Äußere Schau - Die Ostfassade als Mittel der Selbstinszenierung

Den Besucher der musealen Sammlungen des Residenzschlosses führt sein Weg über die Schloßstraße in den kleinen Schlosshof zum dortigen Foyer. Vor dem Durchschreiten des Hauptportals empfiehlt es sich jedoch, inne zu halten und die Fassade des Ostflügels seine Wirkkraft entfalten zu lassen.

Die enge Bebauung der konkav geschwungenen Straße erschwert heute eine ganzheitliche Betrachtung, seit der späten Renaissance aber befand sich hier der Haupteingang zur kurfürstlichen Residenz. Dem Eingangsbereich eines Schlossbaus kam stets eine gesonderte Bedeutung zu, hier sollte dem Besucher ein erster Eindruck dessen vermittelt werden, was ihn erwartete. Der architektonische Rahmen gab einen Vorgeschmack auf die Figur, als die sich der Kurfürst zu inszenieren wünschte.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Ostfassade, die ihr heutiges Aussehen einem historistischen Umbau von 1894-1896 entlehnt, beinahe zurückhaltend. Das Mauerwerk entwickelt sich nach italienischer Tradition von einer gröberen Gestalt mit deutlich sichtbaren Fugen im Erdgeschoss zu einer fein verputzten Wand in den beiden darüber liegenden Stockwerken. Rhythmisiert wird die Fassade durch zwei hervortretende Erker, die mit reichem Bauschmuck versehen sind. Über dem dritten Geschoss ragen vier prächtige Ziergiebel auf, zwischen ihnen ruhen Gauben auf dem ziegelroten Satteldach.

Modell des Ostflügels (Christian Drossel / Matthias Schuster, 2018)

Das Torhaus: Zugang zum Reich des Kurfürsten

Als dominantestes Gestaltungselement tritt das markante Torhaus aus der Fassade hervor, das schon 1589-1590 unter dem Baumeister Paul Buchner errichtet wurde, um den Besuchern Eintritt in das Reich kurfürstlicher Repräsentanz zu gewähren. Hier steigert sich die herrschaftliche Selbstinszenierung: Der auffällig rustizierte Eingangsbereich formt sich aus einem Rundbogenportal mit je zwei flankierenden Halbsäulen dorischer Säulenordnung. Auf den Säulen sitzt ein Gebälk aus Architrav und Fries auf, letzterer ist reich bestückt mit sich abwechselnden Triglyphen und Löwenköpfen. Mit großer Detailliebe wurde jeder Kopf ein wenig anders gestaltet, bei näherer Betrachtung fallen individuelle Mäuler und in verschiedenste Richtungen stierende Pupillen ins Auge.

Als Schlussstein thront ein steinerner Pelikan über dem Portal, der seine hungrige Nachkommenschaft mit seinem eigenen Blut nährt – ein Sinnbild für den Großmut des Kurfürsten, der sein Wirken dem Recht und dem Volke verpflichtete.

Auf dem Gebälk thronen heute zwei Wappen haltende Löwen, der Vergleich zu einem Kupferstich aus dem Jahre 1680 verrät jedoch, dass hier einst vier Skulpturen den Glauben, den Großmut, die Stärke und die Dankbarkeit – verstanden als besondere Eigenschaften des Kurfürsten – verkörperten. Über der Balustrade erhob sich ehemals ein kleiner Rundtempel, auch genannt Tempietto, der die Figur der Justitia als Symbol für den gerechten Herrscher in die Höhe hob. Um 1725 wurden die vier Skulpturen sowie der Tempietto jedoch abgetragen.

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Vom gotischen Hof zum barocken Prachtbau

Die Fassade, die der Ostflügel seinen heutigen Besuchern darbietet, ist ein Resultat umfangreicher Wiederaufbauarbeiten nach dem zweiten Weltkrieg. Erst ein tieferes Eindringen in das Gemäuer legt Zeugnis ab von der bis ins hohe Mittelalter zurückreichenden Baugeschichte, die von stetem Wandel durch zahlreiche Um- und Anbauten geprägt ist.

Baugeschichte des Residenzschlosses, Phasen.
Baugeschichte des Residenzschlosses, Phase 2.
Baugeschichte des Residenzschlosses, Phase 3.
Baugeschichte des Residenzschlosses, Phase 4.
Baugeschichte des Residenzschlosses, Phase 7.
Baugeschichte des Residenzschlosses, Phase 6.
Baugeschichte des Residenzschlosses, Phase 5.
Baugeschichte des Residenzschlosses, Phase 1.

 

 

 

Spuren einer frühgotische Hofanlage

Um die frühesten Entwicklungsstadien des Schlosses nachzuvollziehen, muss Einblick in die Kellerräume des Ostflügels genommen werden, in denen über Jahrhunderte frühgotische Mauerreste verborgen lagen. Sie stammen aus der Zeit um 1230, als das Adelsgeschlecht der Dohna im Bereich des heutigen Schlosses eine Anlage errichtete, bestehend aus einem nahezu rechteckigen Hof (33 x 42 m), vier Wehrtürmen und zwei Wohngebäuden. Das südliche der beiden Häuser, das auch als Kemenate bezeichnet wird, verfügte über eine vier Meter hohe Kellerhalle mit verputzten Wänden, Lehmstampfboden und Kreuzgratgewölbe. Teile dieses Gewölbes haben sich bis heute im Ostflügel erhalten und helfen, die Funktion der Halle, die vermutlich repräsentativer Versammlungsort war, zu rekonstruieren. Zur Burg im eigentlichen Sinne wurde die Anlage Ende des 13. Jahrhunderts durch das Ausheben eines 16m breiten Wassergrabens.

Entstehung einer spätgotischen Burg

Etwa zweihundert Jahre später erlangte das Gebäude auch überregionale Bedeutung. Grund war der Aufstieg Dresdens zur Residenzstadt unter Albrecht dem Beherzten, Herzog von Sachsen und Angehöriger des Adelshauses Wettin, das bis zum Ende der Monarchie 1918 Sachsen durchgehend beherrschen sollte. Um die Burg zu einer würdigen Residenz auszubauen, erweiterten Albrecht und sein Bruder Ernst das Schloss 1468-1490 zu einer Vierflügelanlage. Die Kemenate wurde abgerissen und ein gänzlich neuer Ostflügel errichtet, der sich über drei Etagen erstreckte und im Erdgeschoss über Hofstube und Küche verfügte. Gewölbe, Portalteile, Ofenreste und andere Überbleibsel in jenem Bereich künden bis heute von dieser Epoche und machen die spätgotischen Räume als die einzig erhaltenen ihrer Art im historischen Stadtkern zu wertvollen Zeitzeugen.

Erweiterungen in der Renaissance

Zur Zeit der Renaissance erfuhr Dresden eine weitere Steigerung seines Ansehens, als Moritz von Sachsen die Kurwürde errang und daraufhin das Schlossareal signifikant vergrößerte. Im Ostflügel ließ er ab 1548 einen gotischen „Dantzsaal“ in den sogenannten Riesensaal umbauen, der fortan als größter Raum des Schlosses Eindruck machte. Fünfzig Jahre später wurde südlich an die Vierflügelanlage der kleine Schlosshof angebaut und in den hierdurch verlängerten Ostflügel das Torhaus als neuer Haupteingang integriert. Das Schloss wuchs so zu einer prächtigen Barockanlage, in der zahlreiche Festlichkeiten und kulturelle Veranstaltungen den höfischen Alltag bereicherten. Wesentlicher Festsaal hierfür war Zeit seines Bestehens der Riesensaal.

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Das Schloss als höfisches Spektakel

Riesendarstellung im Riesensaal
Valentin Wagner: Krieger nach einem Gemälde im Riesensaal, Reißschwarz, Rötel, 46 x 31,8 cm, vor 1655, Dresden, SKD (SLUB / Deutsche Fotothek, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/32020214)
Der Riesensaal: Festlichkeit in großem Rahmen

Wer heutzutage die Rüstkammer im zweiten Obergeschoss des Ostflügels besichtigt, findet sich bald mit den imposanten Ausmaßen des Riesensaals konfrontiert. Anstelle von Harnischen und Schwertern glänzten hier einst Samt und Seide der Besucher von höfischen Festen, offiziellen Empfängen, Eröffnungen von Landtagen sowie Ballett- und Theateraufführungen, die in Renaissance und Barock zahlreich zelebriert wurden.

Obwohl der Saal sich mit 737 m² Grundfläche über die gesamte Ausdehnung des Flügels erstreckte, erweckte er zunächst einen gedrungenen Eindruck. Verantwortlich hierfür waren zum einen zwölf Darstellungen riesenhafter Krieger, denen der Prunkraum seinen Namen entlehnte und die auf Wandpfeilern zwischen den Fenstern angebracht waren. Zum anderen stauchte eine kassettierte Flachdecke in der relativ niedrigen Höhe von fünf Metern die Größendimensionen optisch zusammen. Abhilfe schuf ein Umbau 1627, siebzig Jahre nach Errichtung, der unter der Leitung Wilhelm Dilichs stattfand und den Riesensaal durch eine neue Bogen-Decke auf 9,6 Meter Höhe streckte.

Ein Gouache-Bild aus dem Jahre 1678 bringt dem Betrachter die farbenprächtige Ausgestaltung des Saales näher. Auf einer blauen Decke waren vergoldete Metallsterne angebracht, die sich zu Sternbildern und Tierkreiszeichen gruppierten. Darunter reihten sich malerische Ansichten der wichtigsten sächsischen Städte aneinander. In den Fensterlaibungen verkörperten Figurentypen verschiedenste Völkerschaften der vier damalig bekannten Kontinente.



Rüstkammer 2
Johann Mock: Verleihung des Hosenbandordens an Johann Georg IV., 1693, Gouache, Dresden, Kupferstichkabinett (aus: Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Riesensaal_1678.jpg, Stand: 01.02.2018)
Riesensaal 2

links: Johann Mock: Verleihung des Hosenbandordens an Johann Georg IV. 1678, Gouache, 1693, Dresden, Kupferstichkabinett (Wikimedia Commons, https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Riesensaal_1678.jpg, Stand: 01.02.2018);
rechts: Rüstkammer im Riesensaal 2013 (Wikimedia Commons, Urheber: SchiDD, https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Riesensaal1.jpg, Lizenz: CCBY-SA3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de, Stand: 01.02.2018)

Höfische Festkultur im Residenzschloss

Ausschweifende Festlichkeiten hatten am Dresdner Hofe eine weit zurückreichende Tradition. In Anzahl und Dauer die Feste anderer deutscher Höfe oftmals überbietend, verfügten sie zudem über spezifische thematische Schwerpunkte. So war der Bergbau als wesentliche Quelle für den sächsischen Reichtum eine beliebte Thematik, die auch im Rahmen von Planetenfesten gewürdigt wurde – hier symbolisierten Saturn oder Merkur diesen bedeutsamen Industriezweig.

Besonders im Barock wurden einfallsreiche Spektakel inszeniert und verschiedenste künstlerische Disziplinen miteinander verwoben – das Dresdner Residenzschloss geriet zur Wirkstätte des Gesamtkunstwerks. Johann Georg II. (Kurfürst 1656-1680) intensivierte die Karnevalsfeierlichkeiten und ließ 1662 mit „Il Paride“ die erste italienische Volloper nördlich der Alpen aufführen. Friedrich August I., bekannt als August der Starke (Kurfürst 1694-1733), bemühte sich um eine Inszenierung seines Ranges als König von Polen. Sein Zeitgenosse Freiherr von Loen beschrieb seine Hofführung in den rühmlichsten Tönen: „Die Stadt Dresden scheinet gleichsam nur ein bloses Lustgebäude zu sein […] Hier gibt es immer Maskeraden, Jagden, Schützen- und Schäferspiele, Kriegs- und Friedensaufzüge, Ceremonien – kurz: alles spielet.“

Barockes Hochzeitsspektakel

Ein kolossales Meisterstück höfischer Festlichkeit veranstaltete August der Starke anlässlich der Hochzeit seines Sohnes Friedrich August II. mit der habsburgischen Kaisertochter Maria Josepha von Österreich im Jahre 1719. Vier Wochen und damit den gesamten September dauerten die Festlichkeiten um die Hochzeit des Brautpaares an. Täglich ereigneten sich Konzerte, Jagden, Spiele, Tänze und als roter Faden durchwirkten sieben Planetenfeste den Monat. So veranstaltete man zum Fest der Diana eine Wasserjagd, anlässlich des Sonnenfestes wurde ein Feuerwerk im Holländischen Palais gezündet, als finaler Höhepunkt ereignete sich am Tag des Saturn ein Bergmanns-Fest im Plauenschen Grund.

Feuerwerk 1719
Johann August Corvinus (nach Daniel Pöppelmann): Feuerwerk zum Fest des Apoll am Holländischen Palais 1719, um 1728, Kupferstich, Radierung (SLUB / Deutsche Fotothek, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/30105058)

Von besonderer Bedeutung war auch das Empfangs-Zeremoniell zur Ankunft der Braut, welches sie in einem prunkvollen Zug durch das Domizil ihres Bräutigams geleiten sollte. Da jedoch 1701 das Residenzschloss durch einen Brand schwer beschädigt worden war, musste August der Starke die Räumlichkeiten ab 1717 zunächst in größter Eile renovieren lassen, um den Anforderungen des Anlasses gerecht werden zu können. Der Weg führte Maria Josepha von der Elbe kommend durch den großen Schlosshof in den Ostflügel, die Englische Treppe hinauf und durch die Prunkräume des zweiten Obergeschosses. Den Auftakt der Festetage bildete der renovierte Riesensaal, der nunmehr über sieben Kristallkronleuchter, zahlreiche Wandleuchter sowie eine verspiegelte Decke und ovale Spiegel an den Wänden verfügte, die das Lichtermeer hundertfach auffingen und zurückwarfen.

Der neue Glanz des Riesensaals blieb jedoch nur wenige Jahre bestehen. Nach dem Tod seines Vaters 1733 ließ Friedrich August II. den Saal in kleinere Räumlichkeiten untergliedern, die seiner Gemahlin als Privatgemächer dienten. Dass der der Riesensaal heute wieder in seinen barocken Dimensionen erfahren werden kann, ist erst durch die komplette Zerstörung des Ostflügels und seinen jüngsten Wiederaufbau möglich geworden.

Zeremonienball im Riesensaal
Ball paré im Riesensaal des Dresdner Residenzschlosses, 1719, Tusche und Pinsel (SLUB / Deutsche Fotothek, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70216758)

 

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Seit dem Krieg: Verluste, Rückgewinne, Neuanfänge

Verborgene Schätze

Während der Luftangriffe auf Dresden am 13./14. Februar 1945 wurde das Residenzschloss nahezu vollständig zerstört. Das Innere des Ostflügels brannte weitestgehend nieder, lediglich die Außenmauern blieben als verkohlte Hüllen bestehen.

Ein Erhalt des Schlosses, das gleichsam als Symbol hegemonialer Gesellschaftsstrukturen galt, war in der DDR keineswegs selbstverständlich – man denke an die Sprengung der Schlösser in Berlin oder Potsdam –, so standen ebenfalls der Abriss sowie der Wiederaufbau als Hotel, Bibliothek oder Studentenwohnheim zur Debatte. Erst in den 1980er Jahren wurde eine Rekonstruktion als Museumskomplex endgültig beschlossen, 1986 begannen die Sicherungsarbeiten am Ostflügel. Um einen Baukran in den Großen Schlosshof bringen zu können, wurde ein Durchbruch des Ostflügels notwendig, hierbei stieß man jedoch auf Teile der spätgotischen Burganlage im Erdgeschoss. Auch eine ursprünglich geplante Unterkellerung des Hofes musste verworfen werden, als Grabungen frühgotische Bauglieder freilegten.

Über Jahrhunderte waren diese Zeugen der frühesten Schlossgeschichte von späteren Überbauungen versteckt, aber auch geschützt worden. Ihre Wiederentdeckung bereichert die Stadt nicht nur um einzigartige historische Bauglieder, sondern erhellt auch ein schwer zu erforschendes Kapitel der Schlossgeschichte, welche künftig im Erdgeschoss des Ostflügels mit einer Ausstellung erfahrbar gemacht werden soll.

Kriegszerstörung SchloßstraßeFassade Ostflügel

links: Schloßstraße von Norden 1945 (aus: SLUB / Deutsche Fotothek, Alfred Wernicke, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/71076565)
rechts: Schloßstraße 2007 (aus: SLUB / Deutsche Fotothek, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/60066706-tud)

Fragen der Rekonstruktion

Die Gestalt des Residenzschlosses war über Jahrhunderte steten Wandlungen unterworfen und so lag dem Wiederaufbau eine wesentliche Frage zugrunde: Welchen Zustand des Gebäudes wollte man wiederauferstehen lassen?

Zumindest äußerlich strebte man eine einheitliche Gestaltung an, die sich an dem historistischen Schlossumbau in den Jahren 1890 bis 1901 orientierte. Eine Ausnahme sollte der Ostflügel bilden: Hier war eine Fassadenrekonstruktion nach dem 16. Jahrhundert – einschließlich Rundtempel und allegorischen Skulpturen des Torhauses – geplant, nicht zuletzt, um so den Baukörper möglichst klar zu strukturieren.

Erst 2002 entschied man sich nach siebzehn Jahren langwieriger Debatten für eine Rekonstruktion nach dem historistischen Zustand von etwa 1900, sodass heute sämtliche Außenfassaden des Schlosses einen einheitlichen Anblick bieten. Grund für den Kurswechsel waren nicht nur funktionelle Anliegen wie eine bessere Verbindung der verschiedenen Schlossflügel, sondern auch eine allgemeine Neubewertung des Historismus, die in der Wissenschaft zunehmend als eigenständige kunsthistorische Strömung gewürdigt wurde.

Auferstehung des Riesensaals

Wo äußerlich Formen im Neorenaissance-Stil ranken, führt der Blick hinter die Fassade zurück in Zeiten des Barock. Der Besucher der Rüstkammer mit ihren Lanzen, Feuerwaffen, Dolchen, Kostümen und Prunkrüstungen findet sich zwar nicht in einer getreuen Rekonstruktion des historischen Festsaals wieder. Jedoch halten Kubatur und Deckengestaltung das Andenken des einstigen Prunkraums - namentlich in seiner Ausgestaltung nach 1627 samt der hohen, gewölbten Raumdecke – lebendig. So entstand 2006 mit der Fertigstellung des Riesensaals beinahe 300 Jahre nach seinem Verschwinden ein Raum von völlig neuartigem Charakter, der die Geschichte des Schlosses nicht nur rekapituliert, sondern in moderner Manier fortführt.

 

 

 

 

Mehr zum Thema

Constellatio Felix: die Planetenfeste Augusts des Starken anlässlich der Vermählung seines Sohnes Friedrich August mit der Kaisertochter Maria Josepha 1719 in Dresden. Katalog der Zeichnungen und Druckgraphiken (Ausst.-Kat. Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, 13. März bis 9. Juni), Dresden 2014.

Lorenz, Hellmut: Barocke Festkultur und Repräsentation im Schloß zu Dresden, in: Lühr, Hans-Peter (Hg.): Das Dresdner Schloß – Geschichte und Wiederaufbau (Dresdner Hefte, 38), Dresden 1994, S. 48-56.

Magirius, Heinrich: Auf der Suche nach Denkmalwerten beim Wiederaufbau des Dresdner Residenzschlosses, in: Lühr, Hans-Peter (Hg.): Das Dresdner Residenzschloss als Museum (Dresdner Hefte, 104), Dresden 2010, S. 28-38.

Spehr, Reinhard: Archäologische Untersuchungen zur mittelalterlichen Baugeschichte des Dresdner Schlosses, in: Lühr, Hans-Peter (Hg.): Das Dresdner Schloß – Geschichte und Wiederaufbau (Dresdner Hefte, 38), Dresden 1994, S. 11-19.

 

 

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